1. Zyklus  / 2. Woche


Mittwoch, 29.07.2020


Wie an den Tagen zuvor ist das Fieber morgens wieder weg und es geht mir relativ gut. Das Antibiotika hat seinen Dienst angetreten und ich habe weniger geschwitzt.


Abends habe ich kein Fieber mehr – geht doch.



Donnerstag, 30.07.2020


Mit Vorfreude auf unseren Besuch bin ich wach geworden. Der Tag kann nur klasse werden.


Beim Arbeiten liege ich voll im Soll. Es klappt alles, als wäre ich nie weg gewesen. Was ich mir vorgenommen und in Aussicht gestellt hatte zu schaffen, hat auch einwandfrei funktioniert.


Lilly hat sich leider wegen Stau um über eine Stunde verspätet und nicht nur ich habe ihrer Ankunft entgegengefiebert, auch weil wir essen gehen wollen und alle einfach Hunger haben.

Wir haben lecker beim Mexikaner geschmaust und zu zweit sind wir nach dem Essen noch zum und um den Modau Stausee spaziert.

Eine schöne Einstimmung für den kommenden Sommertag.

 


Freitag, 31.07.2020


Um 8.00 Uhr habe ich erst mal einen kurzen Termin beim Onkologen, aber nur, um beim Labor Blut abgezapft zu bekommen. Das war zum Glück schnell erledigt. Meine Urinwerte vom Montag waren wohl auch nicht dramatisch, zumindest steht kein Hinweis in meiner Akte, dass ich noch zum Doc muss.


Wir haben zu zweit erst mal lecker gefrühstückt, Janina und Felicia arbeiten, sind in meine alte Heimat an den Königsee in Zellhausen gefahren und haben uns einen schönen Tag gemacht. Mein Schatz mit Tochter sind nach ihrem Feierabend nachgekommen.

Nach dem Schwimmen haben wir Lilly die schöne Altstadt von Seligenstadt gezeigt und eine leckere Vorspeisenplatte genossen.

Abends haben wir dann bei Kerzenlicht auf unserer Terrasse gesessen, gequatscht und jede Menge guter Musik gehört.


Ein rundum schöner Tag ohne das kleinste Zwicken im Bauch.

 


Samstag, 01.08.2020


Ausgeschlafen und nach einem guten Frühstück haben wir eine Meditationswanderung bei Neunkirchen gemacht. Nicht schlecht. Auf dem ca. 6 km langen Hirschpfad sind alle paarhundert Meter Schilder angebracht mit jeder Menge zum Nachdenken anregenden Sprüchen vom Philosophen, Dichtern und Denkern. Wir halten es auch für Trauernde sehr geeignet. Wenn Kurt mal wieder zu Besuch kommt, will ich mit ihm die Wanderung auch machen.


Vorbei führt der Weg auch an der Modau Quelle auf der Neunkirchener Höhe. Es wurde auch mal Zeit, die zu sehen. Immerhin wohnen wir nur 30 Meter von der Modau entfernt. Anschließend haben wir uns noch leckeren Kuchen in Neunkirchen, sozusagen als Abschluss des Besuchs, gegönnt.


Alles hat ein Ende, so auch der Besuch von Lilly – schade.

Es tut immer gut, mit ihr zu reden. Wir spüren so etwas wie Geschwisterliebe zueinander, seit wir uns vor etwas mehr als einem Jahr in der Hochgrat-Klinik kennen gelernt haben und auch Janina versteht sich bestens mit ihr.


Wie gut mir Gespräche mit ihr tun, habe ich auch daran gemerkt, dass ich keinerlei Beschwerden mehr hatte, seit sie da war und das obwohl mir der Onkologe gesagt hat, dass es mir eventuell 10 Tage nach der Chemo nicht so gut gehen könnte, weil dann die Blutwerte tendenziell eher schlecht wären.

Davon habe ich an diesem Tag wirklich nichts gemerkt und freue mich darüber.


 

Sonntag, 02.08.2020


Ich bin etwas spät aber beschwerdefrei wach geworden und geblieben. Und das am 10 bzw. 11. Tag nach der ersten Chemo, geil.

Um 10 Uhr will ich bei Alex sein. Wir wollen unsere geplante große Radtour in entschärfter Version planen. Ursprünglich wollten wir von Ober-Ramstadt über Karlsruhe (Besuch bei Kurt) nach Straßburg und über die Vogesen nach Landau in der Pfalz (Besuch bei Ella) und zurück zu mir radeln.


Der neue Plan in seiner Endversion ist, die Fahrräder in den Kofferraum zu legen, nach Straßburg, Karlsruhe und Landau zu fahren, um dort kleine Radtouren zu machen. Für Straßburg und Karlsruhe haben wir uns kleine Rundfahrten von 20 bis 30 km mit Sehenswürdigkeiten rausgesucht. In Landau setzen wir auf die Ortskundigkeit von Ella, die gerne und viel mit dem Rad unterwegs ist. Übernachten können wir 2-mal bei Kurt und die letzte Nacht bei Ella.


Nach der Planung bin ich bei meiner Cousine Karin aufgeschlagen, um ein angeblich gutes alkoholfreies Pils zu testen. Die Suche danach hat sich als geschmacklich hartes Brot entpuppt, obwohl es ja schon flüssig ist.

In unserer Cousin- / Cousinen Gruppe bei WhatsApp habe ich die Geschmackskatastrophen ein paar Tage vorher beklagt und sie hat mir prompt ein Bild mit einem norddeutschen Pils in der Hand geschickt.

Es war irgendwie FUN drin, ein guter Grund mehr, sie zu besuchen und mir ist bei ihr das erste alkoholfreie Pils, das auch wie ein gutes Pils schmeckt, begegnet. Prima, das werde ich mir zulegen.


Den Rest des Tages haben wir zu Hause schön gechillt.


 

Montag, 03.08.2020


Gut geschlafen, seit Tagen kein Fieber mehr.

Heute ist Erledigungstag. Erst mal wieder zum Onkel Onkologen ins Labor zur Blutabnahme. Nach Rückfrage kann ich die Magentabletten eigenmächtig absetzen, weil mir bisher nicht schlecht geworden ist. In den letzten Tagen habe ich ohnehin die ein oder andere vergessen. An eine AU habe ich auch gedacht.

Ich habe am Anfang auf eine Krankmeldung verzichtet, aber wenn man beruflich bei der BAA sein Einkommen bezieht, ist es doch besser, sich krank zu melden, vor allem dann, wenn die Erkrankung länger dauert. Bei einer Erkältung wäre ich sicher nicht auf die Idee gekommen, mir eine Krankmeldung geben zu lassen.


Ok, BAA, Krankenkasse, Post, erledigt. Mails? 200! Wehe, wenn ich nicht täglich abrufe und sortiere, Mist. Nach ca. 100 Mails habe ich keine Lust mehr, es wird auch ungemütlich warm unterm Dach, stöhn. Im Haushalt und Garten ist ja auch genug zu tun. So gegen 15 Uhr werde ich wie meistens müde, also ab ins schattige Wohnzimmer auf die Couch für eine Runde Augenpflege von innen.


 

Dienstag, 04.08.2020

 

Ich bin fit wie ein Turnschuh, echt klasse.

Noch 2 Tage arbeiten, dann kommt der Kurzurlaub. Ich habe noch einen kleinen Auftrag zusätzlich angenommen, bin gespannt, ob ich das bis morgen zum Feierabend alles schaffe.


Zu Hause lege ich mich erstmal auf unsere Terrassencouch und mache Spätmittagsschlaf.

Seit Beginn der Chemotherapie zupfe ich mir immer mal sachte an den Haaren. Jetzt scheint es so weit zu sein, ein paar Haare mehr als sonst verabschieden sich von meinem Kopf, Mist!

Ich habe, nachdem sich tagelang nichts getan hatte, gehofft, dass das noch etwas auf sich warten lassen würde, wenigstens bis nach dem zweiten Chemozyklus.