Tränen im Königsee
Dienstag, 21.07.2022
Heute ist bestes Schwimmwetter. Ich würde gerne, weil ich das jedes Jahr mindestens einmal mache und 2020 bisher nicht dazu gekommen bin, über den Königsee (nicht der in Bayern) in meiner alten Heimat, in der ich aufgewachsen bin, schwimmen.
Wegen der recht frischen Narbe habe ich bedenken und rufe in der Chirurgischen Praxis an, ob ich das machen kann. Zum Glück darf ich schwimmen gehen, aber nicht länger als eine Stunde. Das reicht. Um über den See und zurück zu schwimmen brauche ich unter normalen Umständen 15 Minuten.
Auf dem Weg nach Zellhausen, ich habe eine halbe Stunde zu fahren, kommen Gedanken in mir hoch, dass ich in diesem Jahr vielleicht nur noch heute schwimmen kann. Meine körperliche Fitness wird unter der Chemotherapie leiden.
Ich bekomme plötzlich Angst, dass es das aller Letze mal sein kann, dass ich über meinen geliebten Königsee, an dem ich viele Sommer meiner Kindheit und jeden meiner Jugend verbracht habe, schwimmen kann und mir ist zum Heulen zu mute.
Irgendwann einmal habe ich zu irgendwem gesagt, dass, wenn ich nicht mehr über diesen See schwimme, ich wohl gestorben sein muss.
Scheiße, was ist, wenn ich nicht zu den Meisten gehöre, die von dieser Krebsart geheilt werden?
Gedichte habe ich ab und an auch schon geschrieben und wohl weil mir zum Heulen zu Mute ist, kommen mir ein Titel in den Sinn, dem beim Schwimmen nur noch das Gedicht folgen muss. Vielleicht wird es ja auch ein Lied, Alex ist ein guter Gitarrist und Sänger.
Tears in Kings Lake oder Tränen im Königsee, mal sehen, eher die deutsche Version, auf Englisch zu dichten ist für mich doch recht schwierig.
Beim Schwimmen wird es die deutsche Version „Tränen im Königsee“.
Nachdem ich ein Stück geschwommen bin, nicht zu schnell, sonst zieht es ordentlich in der Brust, und gedanklich vor mich hin gedichtet habe, wird meine Stimmung wieder besser, weil ich merke, sogar noch mehr als nur über den See und wieder zurück schwimmen zu können.
Also wird aus der Strecke, ein größeres Dreieck, für das ich normal erst ein paarmal über den See geschwommen sein muss, um fit genug zu sein. Das viele Radfahren hat meiner Kondition, vor allem in den Beinen, geholfen.
Traurig in den See und gut gelaunt wieder raus. Ich habe die Schwimmtherapie erfunden!
Hoffentlich kann ich sie auch während der Chemotherapie noch anwenden.