Anschlussheilbehandlung?
Der Weg zur Reha war lang, steil und steinig. Von wegen zügige Anschlussheilbehandlung. Nicht nur Corona war schuld daran.
Nachdem ich den Antrag gleich nach Erhalten der Bestätigung vom Onkologen an die Rentenversicherung abgeschickt hatte, passierte erstmal nichts.
Zum Glück war meine Krankenversicherung nicht so trantütig und hatte mir dabei geholfen. Auch den Hinweis „Anschlussheilbehandlung“ handschriftlich vom Onkologen einzutragen zu lassen, hatte ich von meiner Krankenversicherung bekommen, weil es ein solches Feld zum Ankreuzen auf dem Antrag einfach nicht vorhanden war. Auch den Tipp, dass die Möglichkeit besteht, eine Reha-Klinik als Wunsch anzugeben, bekam ich nicht von der Rentenversicherung.
Gleich nachdem ich von der Möglichkeit erfahren hatte, einen Wunsch zu äußern, hatte ich mich auf den Seiten der Deutschen Rentenversicherung auf die Suche nach einer geeigneten onkologischen Rehabilitationsklinik gemacht. Die einzigen, die für Lymphknoten- und Blutkrebs spezialisiert waren, lagen nicht in dem für mich zuständigen Hessen, sondern in Bayern, an der Nordsee und im Oberharz in Niedersachsen.
Die Reha-Klinik Oberharz in Clausthal-Zellerfeld in der Nähe vom Brocken hatte ich als Wunschklinik auserkoren, weil im tiefsten Bayern zu dieser Zeit einer der tiefroten Corona-Hotspots auf der Landkarte war und an der Nordsee wurden nur Patienten aufgenommen, die Lungenkrebs oder Corona hinter sich hatten. Außerdem war die Reha-Klinik Oberharz auch für psychosomatische Erkrankungen zuständig und somit die erste Wahl für mich.
Nachträglich eine Wunschklinik anzugeben hatte meinen Antrag, der schon über mehrere Schreibtische der Rentenversicherung gewandert war, wieder zurück auf Station 1 befördert und meine Wartezeit verlängert.
Anfang März 2021 hatte ich dann endlich die freudige Nachricht erhalten, dass mein Antrag mit meiner Wunschklinik bewilligt wäre. Alles weitere würde ich von der Rehaklinik erfahren.
Als ich den Bewilligungsbescheid in den Händen hielt, hatte ich natürlich sofort dort angerufen, um zu fragen, wie lange es noch dauern würde, bis es losgeht, um mich danach richten zu können. Die Auskunft, noch einmal mit einer Wartezeit von 8 – 10 Wochen rechnen zu müssen, hatte mich fast vom Sockel gehauen, von wegen Anschlussheilbehandlung.
Zwei Wochen später hatte ich ein erstes Vorstellungsgespräch. Ich fühlte mich körperlich fit genug, um wieder in das Arbeitsleben einzusteigen und mir wurde die Stelle zum 01.05.2021 mündlich zugesagt. Da wegen Corona und den damit verbundenen finanziellen Einbußen eigentlich ein Einstellungsstopp verhängt worden war, musste der zuständige Abteilungsleiter sich das von der Geschäftsführung noch absegnen lassen.
Hocherfreut darüber hatte ich in der Reha-Klinik angerufen, um klar zu machen, dass ich wegen dem Jobangebot nicht mehr lange auf den Beginn der Reha, die mindestens drei Wochen dauern sollte, warten konnte. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, meinen Antrag zurück zu ziehen, wenn es nicht zügig beginnen sollte.
Wohl weil die Wahrscheinlichkeit da war, dass ich bald wieder den Beitrag zahlenden Arbeitnehmern angehören würde, war es plötzlich ganz schnell möglich, mit der onkologischen Rehabilitation zu beginnen und nach einem kurzen Telefonat war der 30.03.2021 mein Anreisetag. Wenn ich einfach gelogen hätte, wäre es auch genau so gelaufen. Überprüft hatte es niemand.
Weil mir vom Goldkehlchen eine Gruppentherapie wärmstens empfohlen wurde, hatte ich kurz darauf einen ersten Gesprächstermin bei einer Psychologin, die Gruppentherapien anbot. Mir ging es in diesen Tagen aber so gut, dass sie meinte, eine Psychotherapie hätte ich momentan nicht nötig und Gruppentherapien fänden wegen Corona ohnehin nicht statt. Falls ich nach der Reha das Gefühl haben würde, Hilfe zu brauchen, könne ich mich wieder melden.
Mir ging es so gut, dass ich bedenken hatte, von der Reha nach wenigen Tagen wieder nach Hause geschickt zu werden. Alles schien dufte zu sein. Den Krebs hatte ich zusammen mit meiner Chemotherapie besiegt und körperlich fühlte ich mich fitter, als ich in Wirklichkeit war. Bei meiner immer noch fast täglichen Waldrunde hatte ich sogar angefangen, Teilstrecken zu joggen, die immer länger wurden und ich hatte dadurch immer mehr Zeit, noch mehr Übungen einzubauen. Vor lauter Euphorie hatte ich es ignoriert, dass ich danach körperlich so erschöpft war, dass ich nach duschen und Frühstück immer noch eine lange Pause benötigte, bis ich wieder etwas mit mir anfangen konnte.
Fatigue lässt grüßen.
Mitten in dieser Hochstimmung bekam ich dann die Absage vom Personalbüro per Mail. Zuerst glaubte ich, da sei etwas nur falsch gelaufen und hatte den Abteilungsleiter, der von mir begeistert zu sein schien, angerufen. Es war ihm deutlich hörbar peinlich, die Absage bestätigen zu müssen. Meine Gehaltsforderung, mit der er einverstanden war, hatte er bei der Geschäftsführung nicht durchsetzen können und nach seiner Auskunft hatte man ihn genötigt, jemanden einzustellen, den er selbst für ungeeignet hielt, aber mein Konkurrent war bereit, den Job für ein Bruttogehalt zu machen, das mir sogar Netto zu gering gewesen wäre.
Nach dieser Absage war ich froh, die Reha vor lauter Euphorie nicht ganz abgesagt zu haben. Also wieder Kopf hoch und einmal mehr aufstehen, als man hinfällt.